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Stadtplaner Professor Wulf Daseking - „Die Universität ist die Schachdame auf dem Spielfeld der Stadt“

Im Wettbewerb um die besten Konzepte zur Stadtplanung und –gestaltung der altehrwürdigen „Academy of Urbanism“ in London konnte sich Freiburg gegen andere Städte aus ganz Europa – nicht zuletzt Dank der Universität als „European City of the Year 2010“ durchsetzen. Diese Auszeichnung ist auch ein Erfolg Professor Wulf Dasekings, der seit 1984 Leiter des städtischen Planungsamtes in Freiburg ist und nun zu den Ehrenmitgliedern der Londoner Akademie gehört. Daseking ist Honorarprofessor am Institut für Soziologie der Albert-Ludwigs-Universität und Assistent Professor an der Bartlett School, Faculty of Built and Environment, der London University. Anlass genug um zum 100-jährigen Bestehen des Kollegiengebäudes I mit Professor Daseking über die Rolle der Universität in der Stadt Freiburg zu sprechen.

Wulf Daseking
Newsletter: Herr Daseking, was zeichnet Freiburg aus, sodass es gelang den Titel „European City of the Year 2010“ zu erlangen?

 

Wulf Daseking: Dies ist ein langer Weg, der sich durch Kontinuität, Innovation, Engagement unterschiedlicher Disziplinen und Qualität auszeichnet. Dazu gehört das Zusammenführen unterschiedlicher Funktionen um Vielfalt zu kreieren. Diese setzt sich aus einem Zusammenspiel von bebauten Bereichen, Grünflächen, kulturellen Räumen, Bildung und Personen unterschiedlicher Altersstrukturen zusammen. Von besonderer Bedeutung ist dabei eine enge Verzahnung mit dem öffentlichen Nahverkehr. Wichtig ist dabei insbesondere das soziale Netzwerk. Diese bewusste Einmaligkeit versuchen wir als Stadtplaner im Bewusstsein meiner Vorgänger weiterzuverfolgen.

 

Newsletter: Wie bewerten Sie die Rolle der Albert-Ludwigs-Universität für die Stadtplanung in Freiburg?

 

Wulf Daseking: Die Universität Freiburg ist die Schachdame auf dem “Spielfeld“ der Stadt. Freiburg ohne Universität wäre nicht vorstellbar. Sie ist der Motor für Innovationen in dem sonst ländlich-sittlichen Freiburg. Es war ein wichtiger Punkt nach der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg die Universität mittendrin zu halten. Man schaffte damit die “Stadt der kurzen Wege“. In Freiburg ist es die Verzahnung von Jung und Alt, die Lebensfreude schafft und ansteckt. Man erinnere sich nur des Spruchs, der an die Uni gesprayt war: „Lieber arbeitslos in Freiburg als einen Arbeitsplatz in Norddeutschland.“ Hierin ist der Stellenwert dieser Stadt mit ihrer Universität zu sehen. Dabei spielt natürlich auch die Exzellenzinitiative eine bedeutende Rolle.

 

Newsletter: An welcher Stelle und in welcher Form arbeiten das Amt für Stadtplanung und Universität zusammen?

 

Wulf Daseking: Bei Bebauungsverfahren sind wir beispielsweise gehalten Gutachten einzuholen, die in Zusammenarbeit mit den Soziologen und Klimaforschern der Universität erstellt werden. Zudem benötigt die Universität Flächen, die im Stadtgebiet so angelagert werden müssen, dass Impulse für die Umgebung ausgehen. Zuvor war die Verwaltung der Universität in der Heinrich-von-Stephan-Straße angesiedelt. Heute ist die Universitätsverwaltung fußläufig am Fahnenbergplatz erreichbar – das Prinzip der “Stadt der kurzen Wege“ wurde hier umgesetzt. Das städtische Planungsamt steht im ständigen Austausch mit dem Universitätsbauamt. Zu Zeit geschieht dies besonders im Bereich um die medizinische Fakultät und bei der Errichtung der elften Fakultät auf dem Flughafengelände, wo wir die Bauvorhaben privater Architekturbüros kontinuierlich mitverfolgen. Bei anderen Bauten, wie der Biochemie, zogen wir das Gebäude bis an die Straße heran, damit sich die Universität selbstbewusst und deutlich im Straßenraum präsentiert. Aber auch in meinem Bereich, der Soziologie, haben Studierende bei Planungsverfahren Grundlagenarbeit geleistet, die uns für künftige Planungen viel aussagt. Ohne Universität wäre diese Stadt viel ärmer – geradezu spannungslos.

 

Newsletter: In diesem Jahr feiert die Albert-Ludwigs-Universität das 100-jährige Bestehen des Kollegiengebäudes I, dessen Entstehung in die Amtszeit des Oberbürgermeisters Otto Winterer fällt. Welche Bedeutung hatte die Epoche Winterer für die Stadtplanung in Freiburg?

 

Wulf Daseking: Die Epoche Winterer brachte Freiburg aus dem Dornröschenschlaf heraus. Winterer erkannte, dass die Stadt keine ausreichenden finanziellen Mittel besaß. Dafür gab es eine schöne Landschaft, gutes Wasser, guten Wein und große Flächen, die man bebauen konnte. In Hamburg herrschte derweil die Cholera und die Freiburger boten besser gestellten Leuten an, in ihre Stadt zu kommen. Durch den Zuzug aus Norddeutschland entstanden die Stadtteile Herdern und Wiehre. Die Stadt bekam einen Schub und hatte nun Geld. Die Universität musste sich als das zukünftige Element darstellen, wodurch das Kollegiengebäude I auf die Beine kam. Winterer war ein weitsichtiger Mann, der Innovation in die Stadt brachte. Für ihn galt es die Stadt mit der Universität als Bildungsstätte voranzubringen.

 

Newsletter: Seit 1984 sind Sie Leiter des Freiburger Stadtplanungsamtes. Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?

 

Wulf Daseking: Mich fasziniert im Bereich der funktionalen Zusammenhänge einer Stadt mit Kreativität arbeiten zu können. Die Funktionen einer Stadt zusammenzufügen, indem man den ökologischen, ökonomischen und sozialen Bereich zusammenbindet und ihn mit Bildung und Kultur zusammenträgt, machen für mich den Reiz aus. Bei mir galt immer die Aussage: Von der Idee bis zur Ausführung - was von einigen durchaus anders gesehen wird. Durch dieses Zusammenspiel wurde jahrzehntelang die Freiburger Qualität entwickelt. Das haben meine Vorgänger gemacht und hoffentlich wird es auch nach mir so weitergeführt.

 

Newsletter: Sie sind Dozent an der Albert-Ludwigs-Universität und Visiting Professor der University London. Welche Grundkonzepte ihrer städteplanerischen Arbeit geben sie den Studierenden mit auf den Weg?

 

Wulf Daseking: Im Bereich der Soziologie möchte ich den Studierenden die unterschiedlichen Dekaden der Nachkriegszeit nahebringen. Dabei bilden die Zeiten des Wiederaufbaus, die 60er als Zeit des starken Wohnungsbaus, die 70er, die durch den Ölschock geprägt wurden, die 80er mit Tschernobyl, die 90er mit neu entwickelten Stadtkonzeptionen, in Freiburg insbesondere mit den Modellen Rieselfeld wie Vauban, und seit 2000 das Thema Nachhaltigkeit die Wegmarken meiner Lehrtätigkeit. Unsere Zeiten sind geprägt von Klimawandel, steigenden Bevölkerungszahlen besonders in Afrika und Überalterung von Gesellschaften. Hierfür gilt es Konzepte zu entwickeln mit denen man Hilfestellung leisten kann, was der Inhalt meiner Botschaft ist. An der University London geht es jedoch um Stadtstruktur generell, da keine Stadtplanung im klassischen Sinne besteht. Margaret Thatcher hatte das Planungssystem völlig zerschlagen und nun versucht man dieses wieder aufzubauen. Die Universität ist ein Arbeitsfeld auf das ich mich nach meinem offiziellen Berufsausstieg im September nächsten Jahres besonders freue.

 

Newsletter: Man kennt Sie als Stadtplaner mit Leidenschaft. Welche städteplanerischen Visionen haben Sie, bei denen die Universität ein entscheidender Faktor sein könnte?

 

Wulf Daseking: Die Universität wird immer ein großer Faktor sein, da dort der Pool von jungen Leuten sitzt, der die richtigen Überlegungen anstellt: Wie wollen wir in Zukunft wohnen? Welche Möglichkeiten gibt es Wohnen und Arbeiten völlig neu zu verbinden? Welche Ansprüche haben wir auf die Nutzung des öffentlichen Raumes? Wie wollen wir Freizeit gestalten? Die jungen Leute sind dafür unverzichtbar. Wir brauchen den regen Austausch durch Vorträge und Symposien, wie wir in einer Stadt von morgen leben wollten. Dies wäre ein Thema für alle Fakultäten und Freiburg ist genau das richtige Pflaster dafür. Wir brauchen dazu Leute, die sich engagieren. In meinen Seminaren versuche ich dieses Engagement herauszufordern und junge Menschen dafür zu begeistern sich zu engagieren.

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