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Unternehmer Walter Gerriets: Ein ehemaliger Studierender des Wiederaufbaus

Christina Nickweiler vom Alumni-Newsletter fragte Walter Gerriets nach seinen Erinnerungen an die Studienzeit und seinen Werdegang.

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Senior-Firmenchef Walter Gerriets präsentiert einen purpurroten Bühnenvorhang.
Wenn es um professionelle Bühnenaufbauten und Kulissen für Theater- oder Filmproduktionen geht, dann ist die Firma Gerriets GmbH weltweit die allererste Adresse. Walter Gerriets schlüpfte nach dem Volkswirtschaftsstudium an der Freiburger Universität vor über 60 Jahren in die Schuhe seines Vaters, der kurz nach dem Krieg als Textilgroßhändler in Freiburg mit seiner Familie eine neue Heimat fand. Was das Unternehmen heute ist, nämlich ein weltweit tätiges Unternehmen, ist Walter Gerriets Verdienst. Er ist ein Unternehmer mit einer Erfolgsgeschichte wie aus dem Bilderbuch. Doch bei allem Erfolg ist Walter Gerriets, der inzwischen als Seniorchef seinem Sohn mit Rat und Tat zur Seite steht, immer bescheiden geblieben.
 
Newsletter: Woher kommen Sie ursprünglich?
Gerriets: „Ursprünglich hatte meine Familie in der Vorkriegszeit in Riga/ Lettland gelebt. Als zum Ende des Krieges die russischen Truppen das Gebiet besetzten, haben wir uns in den Westen abgesetzt. Nach Freiburg kamen wir, weil meine Mutter eine gebürtige Freiburgerin war. In Freiburg habe ich 1946 das Abitur gemacht.“
 
Newsletter: War Volkswirtschaft Ihre erste Studienwahl?
Gerriets: „Ja, denn es war nicht üblich die Fächer zu wechseln. Die Studenten standen in der Nachkriegszeit unter einem gewissen Zwang schnell ins Berufsleben zu kommen. Jeder Student wollte zügig das Studium absolvieren um Geld zu verdienen.“
 
Newsletter: Welche beruflichen Stationen durchliefen Sie nach Ihrem Studium?
Gerriets: „Ich habe unmittelbar nach dem Studium mit meinem Vater die Firma gegründet. Mein Vater, Hans Gerriets, war Weber und hatte in Riga ursprünglich eine Textilfabrik. Da wir aber nach dem Krieg kein Geld hatten eine Weberei aufzubauen, entschlossen wir uns den Weg über den Großhandel zu gehen. Im April 1946 wurde dann die Textilgroßhandlung Hans Gerriets gegründet. Die Firma gibt es heute noch unter diesem Namen, sie hat alle Stürme der Zeit überstanden. Die Bühnenausstattung ist eine Unterabteilung der Hans Gerriets Textilgroßhandlung.“
 
Newsletter: Wie kamen Sie im Zusammenhang mit Ihrer Selbständigkeit auf den Produktionsbereich?
Gerriets: „Mein Vater und ich haben uns nach einer gewissen Suche auf die Belieferung von Theatern spezialisiert. Seit 1950 haben wir dieses Geschäftsfeld dann konsequent beschritten. Dieser Umstand ergab sich zufällig, da mein Vater nach dem Krieg in den Wiederaufbau des Stadttheaters involviert war.“
 
Newsletter: Wie entwickelte sich Ihr Unternehmen?
Gerriets: „Zu Beginn wussten wir nicht viel von der Branche über Theaterdekorationsteile. Denn Stoffe herstellen, der Beruf, den mein Vater erlernt hatte, ist ein Kapitel für sich. Der nächste Schritt ist die Verarbeitung beispielsweise zu einem Theatervorhang, und das war eben die Marktnische, die wir entdeckt hatten. Nach und nach haben wir dann aber von den Kunden gelernt. Angefangen hatten wir mit zwei Mitarbeitern, die Anzahl wuchs dann kontinuierlich.
In den ersten sechs Jahren bedienten wir die Region und das Inland. Dann bot sich das benachbarte Ausland an, wie etwa die Schweiz und Dänemark. Irgendwann später sind wir mit unseren Geschäften in Amerika gelandet. Heute ist es selbstverständlich, dass wir über den ganzen Globus tätig sind, doch diese Märkte mussten alle erst erschlossen werden. Heute beschäftigen wir circa 160 Mitarbeiter.“
 
Newsletter: Welche Hürden mussten Sie auf dem Weg zu einem erfolgreichen Unternehmer überwinden?
Gerriets: „Sicherlich gab es zu Beginn die Hürde des fehlenden Kapitals, des Geldmangels und Zeiten fehlenden Absatzes. Anfangs kannte uns beispielsweise in Amerika niemand. Da mussten wir intensiv Werbung betreiben, auf Messen präsent sein und wir mussten lernen, wie wir die Leute mit unserer Idee begeistern konnten. Dabei waren die bereits gesammelten Erfahrungen über unsere Produkte sehr wertvoll.“ 

 

Newsletter: Wie passen die Begriffe Risikofreudigkeit, Bescheidenheit und Verantwortung in Ihr Verständnis eines Unternehmers?
Gerriets: „Wenn Sie heute eine Existenz aufbauen, dann gehen Sie immer ein gewisses Risiko ein, dass die Sache auch schief gehen kann. Man muss also bereit sein, dieses Risiko zu tragen und bereit sein, immer mit diesem Risiko zu leben. Man muss die Klippen, die die Selbstständigkeit mit sich bringt, erahnen und die Risiken abbauen. Wer die Realität richtig einzuschätzen weiß, der bewegt sich sodann im bescheidenen Rahmen.
Wer Verantwortung für ein Unternehmen trägt, der ist auch für die Menschen verantwortlich, die man im Unternehmen führen muss.“
 
Newsletter: Was würden Sie einem jungen Menschen, der sich mit dem Gedanken trägt, sich mit einer Geschäftsidee selbständig zu machen, mit auf den Weg geben?
Gerriets: „Wenn man als junger Mensch eine Existenz aufbauen will, muss erst einmal der Markt analysiert werden und es muss danach gefragt werden, ob überhaupt eine Nachfrage nach den Produkten besteht. Eine weitere Frage wäre dann, ob die Menschen bereit sind, Geld für dieses Produkt auszugeben. Sofern sich die Fragen mit ja beantworten lassen, sollte sich der Existenzgründer, die Existenzgründerin nicht allzu großen Illusionen hingeben und die zu überwindenden Hürden nicht zu hoch setzen. Es gilt einen harten Weg zurückzulegen, bei dem oft die eigenen Bedürfnisse zurückgestellt werden müssen. Geduld und Sparsamkeit spielen hierbei eine wichtige Rolle.
Außerdem müssen junge Firmengründer erst lernen, wie man einen Betrieb führt. Diese Erfahrungen muss der Unternehmer, die Unternehmerin im Laufe der Zeit selber sammeln.“
 
Newsletter: Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Universität Freiburg?
Gerriets: „Ich hatte das besondere Glück, dass ich nach dem Abitur gleich studieren konnte. Denn zum einen war man 1946 bestrebt, den älteren Studenten, die als Soldaten vom Krieg zurückkamen, ein Vorrecht für einen Studienplatz einzuräumen. Zum anderen war die Universität sehr stark zerstört. Zu der Zeit gab es nur 2000 Studenten, mehr konnten gar nicht studieren, weil es keine Hörsäle mehr gab. Die Hörsäle mussten teilweise von den Studierenden selbst aufgebaut werden.
Bevor ich die Erlaubnis zum Studieren bekam, musste ich zuerst sechs Wochen kostenlosen Baueinsatz ableisten, indem ich einer Baufirma zugeteilt wurde. Ich habe beispielsweise die Schindeln auf dem Anatomischen Institut befestigt. Manche mussten auch helfen Zement zu schaufeln. Aber meine Kommilitonen und ich sahen ein, dass wir unsere Universität aufbauen mussten. Die Universität brauchte somit eine gewisse Zeit bis der Studienbetrieb wieder in die Gänge kam. Das waren die Themen, die uns als Studierende bewegten.
Bemerkenswerterweise gab es damals auch schon Studiengebühren. Wer die Studiengebühren von rund 150 Mark pro Semester aus finanziellen Gründen nicht aufbringen konnte, der hatte die Möglichkeit, jedes Semester eine Fleißprüfung abzulegen. Mit dem Bestehen des so genannten Fleißscheins hatte der Studierende oder die Studierende dann ein Anrecht auf einen kostenlosen Studienplatz.“
 
Newsletter: Was war Ihr schönstes Erlebnis aus der Studienzeit?
Gerriets: „Ich erinnere mich gerne an eine Zeit, in der meine Kommilitonen und ich ehrenamtlich ein Haus für kriegsversehrte Studenten instand setzten. Über den Sommer wirkten dann auch amerikanische Studenten mit, die im Kollegiengebäude I (KG I) direkt unter dem Dach für die Dauer ihres Aufenthaltes beherbergt wurden. Für uns war es dann abends immer der größte Spaß, wenn wir an dem kleinen Bach, der direkt am KG I heute noch vorbeifließt, baden gehen konnten.“

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