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Das Stay-Stipendium: Die Universität reagiert auf ein gesellschaftliches Problem

Aufmerksam verfolgt Nelli mit ihren strahlend blauen Augen, was ihre Mama am Schreibtisch so arbeitet. Nelli ist gerade einmal fünf Monate alt und ist die Tochter von Dr. Katharina Herrmann. Die promovierte Kunsthistorikerin ist in einer glücklichen Situation, denn sie hat als Wissenschaftlerin und Mutter den Sprung in den Fördertopf des Stay-Stipendiums geschafft. Der Förderverein Alumni Freiburg e.V. hat dieses Stipendium der Universität Freiburg zur Verfügung gestellt.

Mama und Baby in der Uni - ein perfektes Team. Wissenschaftliche Karriere und Familie – eine ideale Kombination.
„Morgens bestimmt die Kleine den Takt“, erzählt Herrmann aus ihrem derzeitigen Arbeitsalltag. Deswegen würden morgens Arbeiten wie etwa das Recherchieren, das Pflegen einer Literaturdatenbank oder auch andere Dinge erledigt. So kann sie Nelli, die jeden Tag in ihrer unmittelbaren Umwelt etwas Neues entdeckt, getrost im Auge behalten. Seit September ist Nelli nachmittags zu Besuch bei der universitätseigenen Kinderkrippe, den Uni-Zwergen. Für Katharina Herrmann eine ideale Konstellation, denn ab 13.30 Uhr beginnt für die Wissenschaftlerin die Arbeitsphase, die äußerste Konzentration erfordert.
 
Das Stay-Stipendium wird von der Albert-Ludwigs-Universität und der Neuen Universitätsstiftung und Alumni Freiburg e.V. für alle Disziplinen getragen. Ziel ist es, Frauen die Möglichkeit zu eröffnen, Familie und wissenschaftliche Karriere an der Universität miteinander zu verbinden. Doch nicht nur die Frauen profitieren von dieser Förderung, sondern auch die Universität selbst. Mit dem Stay-Stipendium bleiben der wissenschaftliche Nachwuchs und somit wichtige Forschungsressourcen der Universität erhalten.

Vereinbarung von wissenschaftlicher Karriere und Familie

Das Stay-Stipendium kann als eine Art „Brückenstipendium“ verstanden werden. Denn es sichert die Finanzierung eines Habilitationsprojektes bis zu einer Anschlussfinanzierung durch eine Forschungsstiftung, wie etwa die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) oder andere. So kann sich Herrmann trotz ihrer neuen und zusätzlichen Rolle als Mutter voll und ganz ihren Forschungsarbeiten widmen. Der Förderungszeitraum, in welchem das Stay-Stipendium gewährt wird, dient vornehmlich dazu, den eigentlichen Forschungsantrag zu verfassen. Die 36-Jährige weiß, dass es viel Zeit kostet, zur Formulierung des Antrags für ihr Habilitationsvorhaben jeden Themenbereich anzureißen: „Das ist harte Arbeit – denn je überzeugender jeder einzelne Forschungsschritt des Vorhabens beschrieben wird, desto größer die Aussicht auf eine Förderung.“
 
Tatsächlich stoßen Frauen auch nach mehr als 50 Jahren Gleichstellungsgesetz in unserer Gesellschaft in beruflicher Hinsicht immer noch auf Schwierigkeiten. Entweder entscheiden sie sich nach einer Promotion für eine wissenschaftliche Karriere oder sie verzichten zugunsten des Nachwuchses darauf. Eine Vereinbarung von Familie und Beruf wäre gerade im wissenschaftlichen Bereich zwar wünschenswert und wird auch immer wieder von diversen Entscheidungsträgern postuliert, doch die Realität sieht anders aus. Katharina Herrmann erklärt sich das so: „Zwischen den wissenschaftlichen Hilfskräften und der Professur fehlt es am ‚Mittelbau‘“. Damit meint sie jene wissenschaftlichen Mitarbeiter, die nach einer Promotion mit einer Festanstellung an der Uni arbeiten könnten. Es gibt etliche Beschäftigte, die dieser Sparte zuzuordnen sind, doch arbeiten diese häufig mit befristeten Arbeitsverträgen.
 
Eben dieser Umstand befristeter Arbeitsverhältnisse ist nach Ansicht Herrmanns die größte Schwierigkeit, mit der Frauen im Hochschulbereich konfrontiert werden. Eine Frau sei sehr lange damit beschäftigt, an die berufliche Station zu kommen, an der sie eine Pause für Erziehungszeiten nehmen könnte. „Erhalten manche Frauen durch eine Professur eine feste Anstellung, sind sie meistens Mitte vierzig. Die Frage der Familienplanung ist zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen“, bringt Herrmann die Problematik befristeter Arbeitsverhältnisse auf den Punkt. „Ich wünsche mir mehr Planungssicherheit für junge Wissenschaftlerinnen“, fügt sie hinzu während sie ihren Blick in den Kinderwagen richtet. Nelli ist inzwischen eingeschlafen.
 
Zwar sind ebenso Männer am Beginn ihrer Karriere von befristeten Arbeitsverhältnissen betroffen, doch schlussendlich bedeuten Zeitarbeitsverträge die Verstärkung der Geschlechterasymmetrie. Doch damit nicht genug: Nicht nur Frauen mit Hochschulbildung leiden unter diesem Phänomen, sondern auch die Uni selbst. Denn die Kapazitäten, die der wissenschaftliche Nachwuchs darstellt, gehen der Uni schlichtweg verloren. Mit anderen Worten bricht das innovative Potenzial des Landes weg. Die Problematik, die Katharina Herrmann schildert, ist in der Tat kein Spezifikum der Freiburger Universität, sondern ein Problem der deutschen Hochschulen allgemein. Die Albert-Ludwigs-Universität hat dieses gesellschaftliche Problem erkannt und mit der Ausschreibung von Stay-Stipendien reagiert.
 
Das Stay-Stipendium setzt genau an dem Punkt gezielt an, der einen Bruch in einer Karriere bedeuten würde. Es sei wichtig, dass nach einer Promotion für Frauen der berufliche Weg weitergehe. Für Katharina Herrmann liegen die Vorteile klar auf der Hand. Als Forscherin ist sie immer noch am kunstgeschichtlichen Institut präsent. „Das hat für meine Forschungsarbeit den Vorteil, dass ich mit meinen Kollegen über meine Arbeit sprechen kann.“

Die Wertschätzung der fachlichen Qualität

Für Herrmann hat das Stay-Stipendium aber noch eine ganz andere, persönliche Bedeutung. Sie versteht das Stay-Stipendium als deutliches Signal, als Forscherin wichtig genommen zu werden. „Ich empfinde es als eine Art Wertschätzung meiner fachlichen Qualität, wenn die Uni mich nicht verlieren möchte“, zeigt sich die Wissenschaftlerin erfreut.
 
Als promovierte Kunsthistorikerin verfügt Dr. Katharina Herrmann über einen analytischen Blick, wie hier bei den neun Musen im Kollegiengebäude III der Universität Freiburg.
Während Katharina Herrmann beginnt über ihr Habilitationsprojekt zu sprechen, schlummert ihre Tochter fern von jeglichen gesellschaftlichen Problemen in ihrem mobilen Kinderbettchen vor sich hin. Von skulpturalen Grabdenkmälern handelt Herrmanns Forschungsprojekt. Sie erzählt von künstlerisch wertvollen Exemplaren, die nicht auf gewöhnlichen Friedhöfen, sondern in Kirchen zu finden seien. Zugegeben Kunstgeschichte ist ein vielfältiger Forschungsbereich, der kulturgeschichtlich und interdisziplinär sehr anfällig ist. „In der Kunstgeschichte spielen immer viele andere Fächer wie Theologie, Geschichte, christliche Archäologie und sogar die Naturwissenschaften mit herein“, schwärmt die Stay-Stipendiatin von ihrem Fach.
 
„Kunstgeschichte ist genau mein Fach, ich bin nach wie vor davon begeistert.“ Wen wundert’s? Wer sich so unumwunden zu dieser geisteswissenschaftlichen Disziplin bekennt, der kann zweifelsohne auch andere begeistern. Wer Dr. Katharina Herrmanns Ausführungen folgt, der wird neugierig auf Kunstgeschichte und könnte ihr noch stundenlang zuhören. Auch verband Herrmann unlängst den Jahresurlaub ihrer Familie mit einer Exkursion nach Frankreich. Arbeit und Privates ließen sich nie eindeutig trennen. Mit den Gedanken sei sie häufig bei ihrem Habilitationsvorhaben, deswegen führe sie stets Block und Stift in der Tasche mit, gesteht sie.
 
Als sie über das kreative Potenzial von ihren Spaziergängen zusammen mit dem Baby spricht, verraten einige unruhige Geräusche aus dem Kinderwagen, dass Nelli wieder munter ist. Katharina Herrmann sieht auf die Uhr und weiß, jetzt ist es Zeit für einen Schoppen. Eine Thermosflasche, ein Schnullerfläschchen und ein Lätzchen kommen aus der Umhängetasche zum Vorschein. Mit wenigen Handgriffen nimmt sie das Baby auf den Arm und füttert es.
 
So spannend und kontrastreich wie Katharina Herrmanns derzeitiges berufliches wie privates Wirken könnte der Start einer Karriere wohl kaum sein: zwischen Denkmalforschung und Familienleben. Das Stay-Stipendium ermöglicht es Katharina Herrmann, Familie und Forschung zu verbinden.
 
 

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