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„Wissenschaft ist mein Leben“

Gespräch mit einem der bekanntesten Politologen Deutschlands, Professor em. Dr. Dr. h. c. Dieter Oberndörfer

Dieter Oberndörfer wurde 1929 in Nürnberg geboren. Nach seinem Abitur 1949 am Wilhelmsgymnasium in München studierte er Theologie, Philosophie, Geschichte und Soziologie in München, Erlangen und den USA. Nach seiner Promotion 1955 in Erlangen kam Oberndörfer nach Freiburg. Dort habilitierte er sich 1959 und war von 1959 bis 1963 Privatdozent für Politikwissenschaft und Soziologie in Freiburg. Als Direktor des Seminars hatte er den Lehrstuhl für Politikwissenschaft bis 1997 inne. Seit 1997 ist Oberndörfer Emeritus, bekleidet jedoch immer noch zahlreiche Ämter und Funktionen. Er ist unter anderem Vorstandsvorsitzender des Arnold-Bergstraesser-Institutes e. V. in Freiburg. 1989 erhielt er das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Im gleichen Jahr verlieh ihm die Universität Freiburg die Verdienstmedaille. 1994 folgte die Verleihung der Ehrendoktorwürde (Dr. h.c. rer. pol.) der Universität Rostock. Ebenfalls 1994 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande sowie den Erwin-Stein-Preis der Erwin-Stein-Stiftung. Professor Dieter Oberndörfer ist seit 2001 Ehrenmitglied der deutschen UNESCO-Kommission.

 

oberndoerfer
Der Politologe Professor Dr. Dieter Oberndörfer ist mit Leib und Seele Wissenschaftler.

 

Newsletter: Sie arbeiteten Ende der 1950er-Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Freiburg. Was hat Sie als junger Wissenschaftler bewogen, an der Uni Freiburg zu forschen?

Oberndörfer: Ich habe in Erlangen promoviert und kam nach Freiburg, um eigentlich Jura zu studieren. Aus bayerischer Perspektive sah ich Freiburg so nah an der französischen Grenze und betrachtete die Lage als ideale Gelegenheit, die Sprache zu erlernen. Doch leider ließen sich diese Pläne nicht verwirklichen.

Newsletter: Was reizte Sie nach dem Abitur die Fächerkombination Theologie, Philosophie, Geschichte und Soziologie zu studieren?

Oberndörfer: Zunächst fing ich mit dem Studium der Theologie an. Meine ursprüngliche Intention war es Pfarrer zu werden. Ich merkte aber, dass dies nicht mein Lebensziel war. Denn Theologe zu sein, setzt eine andere Lebensführung voraus als wenn man Wissenschaftler wird. Danach wechselte ich zu den Studienfächern Geschichte und Soziologie.

Newsletter: Nach Ihrer Habilitation lehrten Sie über 40 Jahre an der Universität Freiburg und haben mehrere Rufe an andere Universitäten abgelehnt. Warum sind Sie der Universität Freiburg stets treu geblieben?

Oberndörfer: Freiburg hat eine wunderbare Universität mit interessanten Kollegen, mit denen ich inzwischen auch freundschaftlich verbunden bin. Ich hatte mich an der Universität schnell eingelebt und habe nie etwas gefunden, das mich hätte weglocken können. Außerdem ist die geografische Lage mit dem Schwarzwald und den benachbarten Ländern Schweiz und Frankreich hervorragend.

Newsletter: Sie gelten als einer der wichtigsten Vertreter der so genannten „Freiburger Schule“. Was können sich unsere Leser unter diesem Begriff vorstellen?

Oberndörfer: Es gibt in der Politikwissenschaft eine Spaltung: Die eine Richtung der Wissenschaftler glaubt, dass man ohne Reflexion auf die Grundwerte der Gesellschaft Wissenschaft betreiben kann. Die andere Richtung, die Freiburger Schule, geht davon aus, dass wir unser Handeln reflektieren und darüber nachdenken müssen. Gerade als Politikwissenschaftler sollten wir uns darüber im Klaren sein, was die wichtigen Ziele der Politik sein müssen. Dahingehend sollten wir dann auch unsere Forschungen orientieren. Also Begriffe wie Gemeinwohl sind dann wichtig und Fragen, die das Interesse der Gesellschaft, unseres Staates und der Menschen in den Mittelpunkt stellen.

Newsletter: Ist die Politik heute von diesem Ideal abgekommen?

Oberndörfer: Die Politiker heute sollte man nicht dämonisieren. Jede Generation hat ihre Probleme und hat neue Aufgaben zu bewältigen. Dabei ist es immer wieder natürlich, dass es Menschliches in der Politik gibt. Denn der Mensch hat zwei Seiten, da sind einmal der Egoismus und manchmal auch andere, bessere Perspektiven wie Idealismus. Ich bin da in der Beurteilung immer sehr vorsichtig und halte mich mit kulturkritischen Tönen zurück. Denn Pessimismus verbaut die Zukunft. Es bleibt gar nichts anderes übrig als mit Optimismus der Welt zu begegnen.

Newsletter: Wie hat sich das Forschungsfeld in der Politikwissenschaft verändert?

Oberndörfer: Das hängt sehr vom einzelnen Forscher ab, woran er sich orientiert und womit er sich beschäftigt. Bei mir ist das so, wenn man 50 Jahre tätig war, dann tun sich neue Interessen auf. Zunächst war ich an politischer Ideengeschichte interessiert, danach kam die empirische Wahlforschung, also die Meinungsforschung, die sich mit der Frage beschäftigt, wie sich politische Meinungen und Einstellungen ändern. Dann kam eine Zeit lang sehr stark die Entwicklungspolitik wie beispielsweise Lateinamerika, später Afrika und dann auch Asien. Auch hier haben sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Interessensfelder ergeben. Das Interessante an der Entwicklungspolitik ist, dass man diese vergleichend betreiben kann. Dass man Vergleiche anstellen kann, wie sich etwa das städtische Wachstum in Afrika oder in Asien verhält. Derzeit beschäftige ich mich schwerpunktmäßig mit dem Thema der Migration, im Hinblick auf die Menschen, die nach Europa kommen, aber auch auf die Migration zwischen Entwicklungsländern. So ist beispielsweise ein Großteil der philippinischen Bevölkerung im Ausland tätig und erwirtschaft damit die Devisen, die das Land benötigt. Insofern hat sich in dem Bereich der Politikwissenschaft schon etwas verändert.

Newsletter: Was würden Sie Studierenden mit auf den Weg geben, die sich heute für Politikwissenschaft entschieden haben?

Oberndörfer: Ich würde ihnen empfehlen sich zunächst einmal auch mit den Überlieferungen des politischen Denkens zu beschäftigen. Denn über Politik wird in Europa seit über 2000 Jahren nachgedacht und manchmal empfiehlt es sich zur Kenntnis zu nehmen, was frühere Generation in der Politik als wichtig angesehen haben. Auf diesem Fundament würde ich dann weiter empfehlen, sich mit der empirischen Gesellschaftsforschung zu beschäftigen, um unsere Gesellschaft kennen zu lernen.

Newsletter: Wie genießen Sie als Emeritus den Ruhestand?

Oberndörfer: Mein Beruf endet ja nicht mit der Tätigkeit als Professor an der Universität, sondern mein Beruf war immer mein Gebiet des Interesses. Das heißt: ich bin als Professor in der glücklichen Situation weiter forschen und schreiben zu können - eben die Dinge zu tun, die ich bis dahin nicht erledigen konnte. Als Emeritus kann man besser Wissenschaft betreiben als vorher, weil viele Verwaltungsaufgaben wegfallen. Es ist nur in wenigen Berufen möglich, dass man im so genannten Ruhestand erst das tun kann, wozu man während der beruflichen Tätigkeit nicht kam. Ich habe keinen Bedarf mich in die Parkanlage zu setzen und in die Luft zu starren; nein, mich interessiert meine Wissenschaft - das ist mein Leben.

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