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Christoph von Marschall – als deutscher Journalist im Weißen Haus

Alumnus Dr. Christoph von Marschall ist heute der einzige deutsche Journalist mit einem „White House Hard Pass“, der ihm einen direkten Zugang zum Weißen Haus bietet. Dr. Cornelia Staeves fragte ihn für den Alumni-Newsletter nach seinem Verhältnis zum Präsidentenpaar, dem amerikanische Wahlkampf und seinem neuen Buch „Was ist mit den Amis los?“

Bereits während des Wahlkampfes lernte Christoph von Marschall Barack Obama persönlich kennen.
In Freiburg studierte Christoph von Marschall Forstwissenschaften, Osteuropäische Geschichte und Politikwissenschaft. 1988 promovierte er bei Professor Schramm mit einer Arbeit über das Thema „Freiheit in der Unfreiheit. Die nationale Autonomie der Polen in Galizien nach 1867“. Schon während des Studiums schrieb er für die Badische Zeitung, die Zeit und die FAZ. Als Osteuropa-Experte berichtete er ab 1989 in der Süddeutsche Zeitung über den Mauerfall und die politischen Folgen in den osteuropäischen Ländern. 1991 wechselte er zum „Tagesspiegel“ nach Berlin. Seit 2005 ist er Leiter des Tagesspiegel-Büros Washington. Während des Wahlkampfes lernte er Barack Obama kennen und stellte ihn 2007 den Europäern mit seinem Buch „Barack Obama. Der schwarze Kennedy“ näher vor. 2009 veröffentlichte er „Michelle Obama. Ein amerikanischer Traum“.
 
Newsletter: Wie ist Ihre Wahrnehmung von Ihrer Universität – aus der Ferne?
Dr. von Marschall: Sehr gut. Ich finde, dass ich in Freiburg eine sehr gute Ausbildung bekommen habe. Ich habe vor allem selbstständiges, kritisches Denken gelernt und natürlich das Anwenden von Recherchetechniken. In meinem ganzen Berufsleben hat mir meine historische Vorbildung unheimlich geholfen. Meine Ausbildung als Historiker hilft mir sehr, als Journalist in der Analyse, in der Einschätzung, in der Prognose und Kommentierung von zeitaktuellen Geschehnissen ein bisschen souveräner zu sein.
 
Newsletter: Sie haben Biografien über die Obamas geschrieben - wie haben Sie das Präsidentenehepaar erlebt?
Dr. von Marschall: Der erste schwarze Präsident, die erste schwarze First Lady – beide sind natürlich für Journalisten nicht so nahbar. Gemessen an den Zugangsbeschränkungen, die es  um die größte Machtzentrale der Welt gibt, habe ich heute wohl den besten Zugang von allen Deutschen. Ich bin der einzige deutsche Journalist, der einen White House Hard Pass hat und damit ständigen Zugang zum Weißen Haus. Barack Obama sehe ich deshalb öfter bei Pressekonferenzen. Die First Lady konnte ich zum Teil zu offiziellen Amtsauftritten begleiten. Sie engagiert sich sehr für Fitnessprogramme für Jugendliche. Als pädagogisches Projekt hat sie einen Gemüse- und Küchengarten im Weißen Haus angelegt, der von Schulen in der Nähe des Weißen Hauses betreut wird. Ich besuche den Garten regelmäßig, um mir anzuschauen, wie dieses Projekt vorangeht.     
 
Newsletter: Wie schätzen Sie die Chancen Obamas im bevorstehenden Wahlkampf ein?
Dr. von Marschall: Das ist ganz wechselhaft, es wäre fahrlässig heute eine Prognose zu machen.  Im Moment, also im Frühjahr 2012, hat der interne Wettkampf unter den Republikanern, wer der Gegenkandidat Obamas wird, ein so hartes und zum Teil auch abschreckendes Ausmaß angenommen, dass sich Obamas Umfrageergebnisse sehr verbessert haben. In den kommenden Monaten kann noch viel geschehen, es kann Anschläge geben, die Wirtschaftslage kann sich verschlechtern, hoffentlich gibt es keinen Krieg, hoffentlich hält der Euro. Eines hofft der Präsident ganz sicher, dass Europa stabil bleibt, denn das würde ihm die Wiederwahl verhageln, wenn Europa unstabil werden würde.
 
Newsletter:  Obama hat mit Reformen mutig heiße Eisen angefasst. Wird das von den Amerikanern nicht positiv aufgefasst?
Dr. von Marschall: Die Sicht auf Obama und seine politische Bilanz ist in Amerika völlig anders als in Deutschland. In Deutschland war die große Erwartung, dass er ein weltverändernder Präsident sein wird, der eine ganz andere Außenpolitik macht und alles korrigiert, was uns an Bush nicht gefallen hat. Nun sind die Deutschen enttäuscht: Guantanamo ist nicht geschlossen, der Nahostfrieden ist  nicht näher gerückt, in Afghanistan ist kein Frieden. Das Verhältnis mit Europa ist auch nicht viel kooperativer.  Die Amerikaner sind aus ganz anderen Gründen enttäuscht: Für die Amerikaner sollte Barack Obama kein weltverändernder Präsident sein. Ihre Erwartung war: wir wählen Obama, damit er die Wirtschaft wieder in Ordnung bringt. Und aus deren Sicht ist das  nicht erfüllt worden. Stattdessen hat Obama Reformen gemacht. Man kann ihn dafür bewundern:  die Gesundheitsreform, die Reform der Finanzaufsicht, ein toleranter Umgang mit Homosexuellen im Militär, der Abrüstungsvertrag mit Russland und vieles mehr. Er hat eigentlich viel geleistet, gemessen daran, dass das amerikanische Regierungssystem für solche  grundlegenden Veränderungen nicht sehr günstig ist. Das wird ihm aber von den meisten Amerikanern nicht zugute gerechnet. Für sie hat vor allem die wirtschaftliche Verbesserung Vorrang.  
 
Newsletter:
Ihr neues Buch hat den provokativen Titel: „Was ist mit den Amis los?“ Was verbirgt sich dahinter?
Dr. von Marschall: Nach meinen Biografien über Barack und Michelle Obama bin ich in Deutschland vielen Lesern begegnet, die immer wieder fragen: Jetzt erklären Sie uns doch mal, wieso sind die Amerikaner gegen eine allgemeine Krankenversicherung, wieso kriegen die die Energiewende nicht hin und wieso können die Guantanamo nicht schließen. Ich stand vor der Frage: Warum spinnen die Amis aus deutscher Sicht? Und wenn man anfängt darüber nachzudenken, merkt man: in manchen Bereichen spinnen auch die Deutschen ein bisschen. Zum Beispiel mit ihrem Glauben an die Allzuständigkeit des Staates. In meinem Buch setze
ich mich mit unterschiedlichen Sichtweisen und Grundeinstellungen zu gesellschaftlichen und politischen Fragen auseinander und versuche, quasi als Kulturübersetzer, die Ursachen dafür zu erklären.
 
Newsletter: Kann man sagen, dass Sie dadurch auch kritischer gegenüber Deutschland geworden sind?
Dr. von Marschall: Wer im Ausland lebt, beginnt zu vergleichen. Ich bleibe natürlich in meinem Herzen, in meiner Grundeinstellung Deutscher und Europäer, was beispielsweise die Einstellung zum Sozialstaat und sozialer Absicherung betrifft. Aber es gibt auch vieles, was mir in Amerika gut gefällt. Etwa der viel höhere Grad an Bürgerbeteiligung oder die viel höhere Bereitschaft sich mit seinem Geld in gesellschaftliche Projekte einzubringen.
 
Newsletter:  Was ist Ihnen bis heute an den Amerikanern fremd geblieben?
Dr. von Marschall: Die Ablehnung des Staates und die gleichzeitige Verherrlichung der Privatwirtschaft. Das ist beides genau kontrovers zu dem, wie ich in Deutschland erzogen worden bin. Der Staat ist besser als die Amerikaner es sehen, meine ich, und die Privatwirtschaft ist nicht immer so segensreich für alle, wie sie angesehen wird.
 
Newsletter: Was schätzen Sie am meisten an Amerika?
Dr. von Marschall: Diese spielerische Leichtigkeit, mit der die Amerikaner etwas angehen, die große Freundlichkeit im Umgang miteinander, die fast bedingungslose Offenheit und Gastfreundschaft Fremden gegenüber. Das sind alles Charakterzüge, die man in Amerika bewundern kann und die den Deutschen manchmal ganz gut täten. Auf der anderen Seite würde ich sagen, dass Bürokratie und Staatsverwaltung in Deutschland besser und verlässlicher funktionieren. Unsere Infrastruktur ist wesentlich besser und letzten Endes sind wir auch besser durch die Wirtschafts- und Finanzkrise gekommen als die Vereinigten Staaten – mit weniger Brüchen, mit weniger Arbeitslosen, mit mehr sozialer Sicherheit. Das sind dann wieder Dinge, auf die wir stolz sein können.

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