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„Ich mag es, Vorgänge zu beobachten und visuell zu verdichten“

Ilja C. Hendel hat nach seinem Studium an der Albert-Ludwigs-Universität seine Leidenschaft zum Beruf gemacht: Er arbeitet heute als Fotograf in Norwegen. Seit 1997 ist der 41-Jährige, geboren in Frankfurt am Main und aufgewachsen in Osnabrück, für redaktionelle Kunden, Unternehmen und Verbände tätig. In den vergangenen Jahren hat Hendel zudem Buchprojekte des Goethe-Instituts zur deutschen Sprache fotografisch betreut. Anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Goethe-Instituts in Norwegen präsentiert das Institut nun eine Reihe eindrucksvoller Exponate des Künstlers. Vom 14. September bis 12. Oktober ist eine Auswahl seiner Fotografien aus Deutschland und Norwegen zu sehen. Unter dem Titel „Sprache im Bild“ zeigt er mit 35 Exponaten eine fotografische Annäherung an die deutsche Literatur und Wissenschaft.

Fotograf Ilja C. Hendel studierte in den 1990er Jahren in Freiburg und lebt seit 2005 in Oslo.

Für den Alumni-Newsletter fragte Sebastian Jochum nach Ilja C. Hendels Erfahrungen:

Alumni-Newsletter: Sie haben Ihr Magisterstudium der Politikwissenschaft, Ethnologie und Volkswirtschaftslehre im Jahr 2000 mit einer Arbeit über die „Nebenwirkungen von Post-Conflict Peacebuilding in Mostar / Bosnien-Herzegowina“ abgeschlossen. Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?

Ilja C. Hendel: „Zum Zeitpunkt meines Studiums sah ich in der Fotografie als Beruf noch keine Perspektive, obwohl meine Begeisterung für die Reportage-Fotografie seit meinem zufälligen Besuch eines Fotofestivals in Arles als 16-Jähriger geweckt worden war. Parallel zum Studium habe ich für das Magazin und die Hochschulseiten der Badischen Zeitung fotografiert – unter anderem Reportagen vom Balkan und diverse Portraitserien zu Bildungs- und Wissenschaftsthemen. Am Tag nach meiner Magisterprüfung erhielt ich einen Auftrag für den ‚Spiegel‘. Dies nahm ich als Zeichen, in welche Richtung die Karriere weitergehen sollte. Darauf folgte eine Station als Fotoredakteur der ‚taz‘, bevor ich ganz auf die professionelle Fotografie setzte.“

Alumni-Newsletter: Was ist Ihnen während der Zeit im Breisgau in besonderer Erinnerung geblieben?

Ilja C. Hendel: „Neben den allseits gelobten Vorzügen Freiburgs denke ich vor allem an die Komplexität des Gebildes ‚Universität‘. Durch das Studium habe ich Lehre und Forschung kennengelernt. Durch meine Fotoaufträge bin ich aber auch zu den Menschen gekommen, die die Universität im Hintergrund am Leben halten – ob in der Mensa, als Hausmeister oder in den unterirdischen Archiven der Universitätsbibliothek.“

Alumni-Newsletter: Sie leben und arbeiten seit sieben Jahren in Oslo. Was macht für Sie den besonderen Reiz Norwegens aus?

Ilja C. Hendel: „Oslo liegt auf einem Breitengrad, auf dem entlang des Globus wenig Zivilisation zu finden ist. Diese nördliche Lage mit dem rauen Klima und der geografischen Weite der Berge und der Enge der Fjorde prägt das Land und die Menschen. Was ich sehr zu schätzen gelernt habe, ist der unverkrampfte Umgang mit Beruf und Familie. Eine Rückkehr nach Deutschland bleibt aber immer eine Option – allerdings merke ich, wie sie mit dem Lauf der Zeit unwahrscheinlicher wird. Nicht zuletzt durch die berufliche Einbindung meiner norwegischen Frau und meiner Kinder, die allerdings die Deutsche Schule in Oslo besuchen.“

Alumni-Newsletter: Hat Ihre deutsche Herkunft einen Einfluss auf Ästhetik und Herangehensweise eines Fotografen, der in Skandinavien arbeitet?

Ilja C. Hendel: „Fotografenkollegen bemerkten bei mir eine klarere und grafischere Bildsprache – mehr als es in Norwegen üblich ist. Anderseits werde ich auch von der skandinavischen Fotografie beeinflusst. Den Wechsel zwischen meinen norwegischen und deutschen Bezügen empfinde ich als sehr belebend.“

Alumni-Newsletter: In diesem Sommer haben Sie mit Finanzminister Dr. Wolfgang Schäuble einen prominenten Alumnus der Universität Freiburg für die Website des Ministeriums porträtiert. Worauf achten Sie, wenn Sie hochrangige Personen des öffentlichen Lebens in Szene setzen?

Ilja C. Hendel: „Es ist gerade mein Hauptanliegen, sie nicht in Szene zu setzen. Im Vorfeld beschäftige ich mich mit der Person und der Vita, versuche Details zu finden, die nichts mit der aktuellen Position der Person zu tun haben. Mich interessiert dabei vor allem, den Menschen zu fotografieren. Die Prominenz und Bedeutung versuche ich in den Hintergrund treten zu lassen. Während des Fotografierens bin ich immer allein mit der Person, unterhalte mich und mache die Bilder. Dies führt dazu, dass sie während des Fototermins nicht in ihrer üblichen Rolle agieren müssen – was der Fall wäre, wenn Mitarbeiter zugegen wären.“

Alumni-Newsletter: Drei Monate nach den Anschlägen von Utøya und Oslo haben Sie den norwegischen Premierminister Jens Stoltenberg während eines Interviews fotografiert. Wie haben Sie die Anschläge im Juli 2011 erlebt?

Ilja C. Hendel: „Die Nachrichten erreichten mich auf einem alten Transistorradio in einer Hütte im Dovrefjell und kurze Zeit später per SMS eines Kollegen vom ‚Spiegel‘. Am Tag darauf trafen wir uns in Oslo, und ich begleitete das ‚Spiegel‘-Team in der Woche nach den Anschlägen. Zufällig auf der Straße traf ich eine Bekannte; ihre Tochter musste sich zwei Stunden auf Utøya verstecken, sah Freundinnen sterben, bevor sie sich aus ihrem Versteck traute. Im Regierungsviertel hatte ich bereits für einige Ministerien gearbeitet und sah jetzt die zerstörten Büros. Als am Montag nach den Anschlägen 200.000 Osloer vor dem Rathaus waren, fühlte ich mich zum ersten Mal als Teil dieser Gesellschaft und nicht mehr nur als Deutscher, der für einige Zeit in Norwegen lebt.

Alumni-Newsletter: Laut eigenen Angaben stehen „Menschen, Situationen und Details“ im Mittelpunkt Ihrer Fotografie. Haben Sie dabei Präferenzen?

Ilja C. Hendel: „Wenn auch nicht direkt, so wirkt sich mein Studium dennoch auf meine Arbeit als Fotograf aus. Die teilnehmende Beobachtung und Einordnung dessen, was ich sehe, prägen meine Arbeitsweise – unabhängig, ob es ein Reportageauftrag ist oder ein geplanter Termin für einen kommerziellen Kunden. Ich mag es, Vorgänge zu beobachten und visuell zu verdichten. Also präferiere ich alle drei Aspekte in einer guten Mischung.“

Alumni-Newsletter: Die von Ihnen bebilderte Reportage über die Gefängnisinsel Bastøy im Oslofjord für den „Spiegel“ wurde als eine der zehn besten Reportagen mit dem renommierten Hansel-Mieth-Preis 2012 ausgezeichnet. Gibt es weitere Arbeiten, auf die Sie im Rückblick besonders stolz sind?

Ilja C. Hendel: „Spontan muss ich da an ein Bild denken: Es entstand bei einer kleinen Lokalgeschichte für die Badische Zeitung über das polizeihistorische Museum. Mir fiel ein Exponat von drei Totenmasken auf, die abseits in einer Glasvitrine standen. Es waren die Totenmasken der RAF-Terroristen Baader, Ensslin und Raspe. Jahre später tauchte meine Fotografie in einem Artikel in der ‚taz‘ auf, woraufhin eine Angehörige Kontakt zu mir aufnahm. Wenig später erschien im ‚Spiegel‘ ein Artikel über die Hintergründe der Masken zusammen mit dem Foto. Der damalige Direktor des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt sah das Bild und kaufte es für die fotografische Sammlung. Als ich 2004 das Museum besuchte, hing es im gleichen Raum mit einem Warhol. Noch heute erreichen mich Anfragen von Historikern, die über die Hintergründe der Masken Auskünfte wünschen.“

Tromsø liegt über 300 Kilometer nördlich des Polarkreises und ist die größte Stadt im Norden Norwegens.

Alumni-Newsletter: Wen oder was würden Sie gerne einmal vor die Kamera bekommen?

Ilja C. Hendel: „Gute Bilder und spannende Themen liegen oft vor der Tür. Aktuell interessieren mich die Energiegewinnung in Norwegen, die Ölförderung und die Spekulationen über neue Vorkommen in der Arktis, die als Folge des Klimawandels möglicherweise ausgebeutet werden können.“

Alumni-Newsletter: Die professionelle Fotografie gilt als hartes Geschäft. Herrschen in Norwegen andere Konditionen als in Deutschland? Auf welche ökonomischen Verhältnisse muss sich der Nachwuchs einstellen?

Ilja C. Hendel: „Obwohl Norwegen ein reiches Land ist, sind die Bedingungen für Fotografen auch nicht anders. Entscheidend sind ein langer Atem und eine gute Arbeit, dann kann es ökonomisch klappen. Eine gute Gesamterscheinung und Ausbildung sind entscheidend – ob als Fotograf oder wie bei mir als Sozialwissenschaftler. Das Schreiben eines guten Exposés hat mir gerade einen Auftrag für ‚Geo‘ eingebracht.“

Alumni-Newsletter: Ihre Aufträge von Zeitungen und Zeitschriften, Konzernen und Prominenten führen Sie in verschiedene Regionen des Landes. Welche Gegend empfehlen Sie unseren Alumni besonders zum Besuch?

Ilja C. Hendel: „Je länger ich in Norwegen lebe, umso mehr mag ich den Winter. Eine Reise zwischen November und März nach Tromsø oder auf die Lofoten wird ein unvergessliches Erlebnis: Sie erleben herrliche ‚blaue Stunden‘ und schneebedeckte Berge, die bis zum türkisblauen Meer reichen. Und mit etwas Glück kann man in der Nacht die Polarlichter sehen. Allerdings liegt Tromsø von Oslo genauso weit entfernt wie Rom.“

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