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Dr. Gabriela Guellil – Deutschlands Chefdiplomatin in Zypern

Dr. Gabriela Guellil studierte 1978 bis 1985 an der Uni Freiburg. Heute vertritt sie als deutsche Botschafterin die Bundesrepublik in Zypern. Der Alumni-Newsletter fragte Sie in einem privaten Interview nach ihrem beruflichen Werdegang und ihren Erinnerungen an die Studienzeit.

Dr. Gabriela Guellil

 

Newsletter: Warum haben Sie sich bei der Wahl Ihres Studienortes für die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg entschieden?
 
Dr. Guellil: Die Universität Freiburg hatte – und hat – einen hervorragenden Ruf. Natürlich spielte auch der Freizeitwert bei der Wahl des Studienortes eine Rolle: Fahrradtouren im Kaiserstuhl, Skilaufen im Schwarzwald und in den Alpen, Kajakfahrten im Schweizer Jura, Windsurfen auf den Seen in der Region. Natürlich stand die Wahl des Studienortes in engem Zusammenhang mit der fachlichen Orientierung, nämlich einer Kombination von Wirtschaft und Nahoststudien. Mich beeindruckte auch die engagierte Beratung insbesondere durch den Lehrstuhl für Islamwissenschaften. Als die Universität postwendend die Ausnahmegenehmigung für ein Doppelstudium erteilte, zögerte ich nicht lange zuzugreifen. Ich habe diese Entscheidung nie bedauert, erinnere mich sehr gerne an meine Studienzeit an der Albert-Ludwigs-Universität von 1978 bis zum Rigorosum 1985.
 
Newsletter: Was hat Sie bewogen, Islamwissenschaften und Volkswirtschaft zu studieren?
 
Dr. Guellil: Es gibt emotionale und rationale Motive: Einerseits eine große Sehnsucht nach fremden Ländern, Völkern und Kulturen, die ich in meiner Jugendzeit durch Lesen – einmal quer durch die Stadtbibliothek in Karlsruhe - zu befriedigen versuchte. Der alte Karl May, aber auch Märchen aus Tausendundeine Nacht hatten es mir angetan, oder Romane über Dschingis Khan und den Weltreisenden Marco Polo. Andererseits ging ich davon aus, dass die beiden Ölkrisen 1973 und 1978 – mein Abiturjahr – den Marktwert von Nahostexpertise steigerten. Die mit dem Studium der Islamwissenschaften als zwei Hauptfächer damals verbundene Verpflichtung, Arabisch, Persisch und Türkisch zu erlernen, reizte mich ungemein. Ohne dass ich genau festlegen wollte, wohin die Reise ging, sollte das Studium mir eine Karriere in der Wirtschaft ermöglichen. Tatsächlich begann ich dann auch mein Berufsleben als Exportmanagerin bei der Firma BOSCH.
 
Newsletter: Wie ergab es sich, dass Sie Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland wurden?
 
Dr. Guellil: Schnell wurde mir klar, und das war schon eine gewisse Enttäuschung, dass ich in der Automobilindustrie nicht glücklich werden würde –   und zwar weil es an der Akzeptanz für eine Frau mit einer nicht-technischen Ausbildung völlig fehlte. So habe ich mich nach attraktiven Alternativen umgesehen und unter anderem für den Höheren Auswärtigen Dienst beworben und das Auswahlverfahren durchlaufen. Als ich die Zusage erhielt, am 2. Mai 1987 die Ausbildung zu beginnen, waren mein Mann und ich ganz sicher, dass wir diesen Weg gemeinsam versuchen wollten. Wir gingen all die Jahre davon aus, dass ich eines Tages irgendwo in der Welt die deutsche Botschafterin sein würde und ich freute mich darauf. Der Auswärtige Dienst war für mich über viele Jahre geprägt von harter Arbeit, bis an den Rand körperlicher Erschöpfung. Dies entspricht sicher nicht dem verbreiteten Bild vom glamourösen Dasein der Diplomaten - es waren die Lehrjahre auf dem Weg zur Botschafterin. Und dafür habe ich mich dann im Rahmen der im Auswärtigen Amt üblichen Personalrotation nach 24 Dienstjahren beworben. Natürlich gibt es einen harten Wettbewerb unter hoch qualifizierten und ambitionierten Kollegen. Der Einsatz in Nikosia ist sicher als Anerkennung für bisherige Leistungen zu verstehen; und er honoriert auch spezielle Regionalkenntnisse. Das Auswärtige Amt hat sich im Übrigen die Förderung von Frauen auf die Fahnen geschrieben – das passt.
 
Newsletter: Was reizt Sie an dem Dienst als Botschafterin?
 
Dr. Guellil: Botschafterin ist ein Titel – auf den ich stolz bin. Besondere Momente: das Gespräch mit Bundespräsident Wulff anlässlich seines Empfangs für die neuen Botschafter und Botschafterinnen im vergangenen Juli, das Tête-à-Tête mit Staatspräsident Christofias anlässlich der Übergabe des Beglaubigungsschreibens am 13. September. Aber es ist nicht in erster Linie der Status, der den besonderen Reiz meiner neuen Aufgabe ausmacht. Es sind vielmehr die Verantwortung, die damit verbunden ist, mein Land und unsere Interessen hier in Zypern würdig zu vertreten, die Herausforderung, ein Team zu leiten, und die Chance, mich mit spannenden Themen zu beschäftigen und mich mit interessanten Menschen zu vernetzen. Außerdem kann ich über viele Jahre erworbene Kenntnisse einsetzen. Damit verbunden ist nicht die Erwartung, Welten zu bewegen, aber doch der Anspruch an mich selbst, einen erkennbaren Beitrag in politischen Prozessen zu leisten. Das halte ich für sehr reizvoll. Ich genieße meine Rolle, ausgestattet mit hoher Selbstständigkeit und einem großen Maß an Entscheidungskompetenz. Es ist ein anderer, ein neuer, intensiver Lebensabschnitt.
 
Newsletter: Als Diplomatin gehören Sie zu einer äußerst seltenen Spezies. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund, warum es im Botschaftsdienst immer noch so wenige Frauen in leitenden Positionen gibt?
 
Dr. Guellil: Die Frage beschäftigt mich seit Jahren – durchaus in dem Spannungsfeld eigener Betroffenheit und dem Bemühen um objektive Wahrnehmung. Es gibt meines Erachtens viele Faktoren, die dazu beitragen, dass Frauen in Führungspositionen in Deutschland - natürlich nicht nur in Deutschland - noch stark unterrepräsentiert sind. Der traditionsbewusste Auswärtige Dienst war in der Vergangenheit eine Domäne von Männern, die Anspruch auf Status und Einfluss erhoben. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass diese Ansprüche im Allgemeinen nicht ohne weiteres auch Frauen zugebilligt werden. Ohne strenge Vorgaben von oben wird sich hieran nur sehr langsam etwas ändern, wie ich über meine bisherige Dienstzeit beobachten konnte. Die freiwillige Bereitschaft der etablierten Männer, den aufstrebenden Frauen die Türen zu öffnen, war bislang nicht sehr ausgeprägt. Gerade in einem kompetitiven Umfeld liegt es nahe, dass der erfolgreiche und selbstbewusste Beurteiler sich selbst als Rollenmodell nimmt und instinktiv seinesgleichen sucht. Und es ist eben so, dass die bisherigen weitgehend männlichen Führungspersönlichkeiten über die Qualifikationserfordernisse des Nachwuchses bestimmen und die individuelle Eignung der Bewerber und Bewerberinnen beurteilen. Es geht meines Erachtens weitgehend nicht um ausdrückliche Frauenfeindlichkeit. Schwierig wird es, wenn das Argument vorgetragen wird, es gehe ausschließlich um Leistung – was mithin suggeriert, dass Frauen an Leistung Männern nicht ebenbürtig seien. Das Thema erinnert mich an die Integrationsdebatte: Der Vorwurf, die Betroffenen seien entweder nicht qualifiziert genug oder nicht engagiert genug und nicht integrationswillig, erklärt nicht ausreichend die vorhandenen Integrationsdefizite. Mir tut ein bisschen weh, es ärgert mich auch, wenn vorgetragen wird, die geringe Zahl an Botschafterinnen beruhe hauptsächlich darauf, dass Frauen sich nicht trauten. Oder dass es immer wieder heißt, Frauen könne man bestimmte Aufgaben nicht zumuten. Und diese Einstellung hat dann eben die Konsequenz, dass Kandidatinnen nicht zum Zuge kommen. Tatsache ist allerdings, dass Frauen auch in meiner Altersgruppe noch stark in der Unterzahl sind, insofern kann man nicht erwarten, dass sie in Führungspositionen und so als Botschafterinnen besonders zahlreich vertreten sind. Dass ich derzeit die einzige deutsche Botschafterin in einem EU-Land bin, ist allerdings wirklich ein Zahlenverhältnis, das schon fast peinlich ist. Im Übrigen gilt es ja nicht nur, Frauen proportional zu ihrer Zahl in Führungsämter – also auch Botschafterstellen – zu bringen, sondern ich möchte nicht ausschließen, dass Frauen überproportional in solchen vertreten sein können. Wenn es nur nach Leistung geht, sollte dies grundsätzlich möglich sein, wenn wir uns von dem Ansatz lösen, dass Männer grundsätzlich besser führen. Änderungen erfordern immer Mut und Zeit – und Vorbilder. Ich hoffe, dass ich ein positives „Rollenmodell“ sein kann, das ermutigt, mehr Frauen als Botschafterinnen einzusetzen.
 
Newsletter: Welche persönlichen Eigenschaften sind von einer Person in besonderem Maße gefordert, damit diese als Frau in einem vorwiegend von Männern dominierten Bereich, wie dem diplomatischen Dienst erfolgreich sein kann?
 
Dr. Guellil: Meine Linie war stets, so zu sein, wie ich bin, mich mit dem einzubringen, was ich kann, und dies durchaus offensiv. Manchmal beklage ich, dass von uns Frauen erwartet wird, geradezu perfekt bei der Bewältigung vielfältiger Aufgaben zu sein. Mir scheint, dass hier auch unser eigenes Rollenverständnis eine Rolle spielt, das man uns über lange Jahrhunderte förmlich antrainiert hat, in überwiegender dienstbarer Funktion. Einerseits sollen wir stark und durchsetzungsfähig sein, natürlich super kompetent, um uns als Führungskräfte zu qualifizieren, andererseits aber sollten wir bitte nicht zu fordernd auftreten, denn das verträgt sich nicht mit den Erwartungen an kreatives, vermittelndes, verstehendes „weibliches“ Potential. Sehr gute Beurteilungen, die auf Fleiß und Sorgfalt abstellen, können sich als Falle entpuppen, denn wenn man im Höheren diplomatischen Dienst erfolgreich vorankommen will, geht es nicht um die Anerkennung als emsige Arbeitsbiene im Schwarm. Im Laufe der Jahre habe ich besser damit umzugehen gelernt, dass es neben der Beschleunigung/Förderung - die man nicht erzwingen kann - auch den Mechanismus der Entschleunigung gibt - gegen die man sich wehren sollte. Natürliches Selbstbewusstsein ist sicherlich ein ganz wichtiger Faktor für Erfolg, natürlich nicht nur von Frauen. Ich setze auch auf Flexibilität, Geschmeidigkeit im Umgang mit Menschen und Themen. Willenskraft, Zielstrebigkeit, Kommunikationsfähigkeit – die ganze Palette sozialer Intelligenz ist gefragt, damit eine Frau in einem von Männern dominierten Umfeld souverän bestehen kann.
 
Newsletter: Wie erleben Sie den Alltag in einem politisch gespaltenen Land?
 
Übergabe des Beglaubigungsschreiben bei Staatspräsident Christofias.
Dr. Guellil: Zypern ist erst seit 1960 unabhängig. Seit 1974 ist Zypern in zwei ungleiche Zonen geteilt – den griechisch-zyprischen Süden und den türkisch-zyprischen Norden. Das prägt auch den beruflichen und den privaten Alltag. Die Zypernfrage und die Überwindung der Spaltung bleibt eine der ungelösten Herausforderungen in der internationalen Staatengemeinschaft. Trotz der Allgegenwart der Spaltung, gerade auch im Zentrum des geteilten Nikosia im Bereich der Pufferzone, den ich oft mehrmals am Tage durchquere, entsteht bei mir nicht das Gefühl der akuten Bedrohung. Zugleich ist die Spaltung omnipräsent und es fällt schwer, sich einen normalen Alltag in Form einer bizonalen, bikommunalen Föderation vorzustellen, wie es die einschlägigen VN-Resolutionen vorgeben und Ziel der derzeitigen Verhandlungen zwischen den beiden Seiten unter der Ägide des VN-Generalsekretärs ist. Auch wenn wir die Staatlichkeit der sogenannten „Türkischen Republik Zypern“ nicht anerkennen, so haben wir es doch de facto mit parallelen Strukturen zu tun, die mich durchaus auf Trab halten, so klein und überschaubar aus der Ferne die Insel wirken mag. Als Botschafterin bin ich gefordert, mich ebenfalls mit dem Norden zu befassen und dort Kontakte zu pflegen; dass ich türkische Sprachkenntnisse mitbringe, erleichtert natürlich die Kommunikation. Völlig klar, dass ich auch einen Anlauf nehmen möchte, die Landessprache Griechisch zu erlernen!
 
Newsletter: Welche Erinnerungen verbinden Sie mit der Universität Freiburg?
 
Dr. Guellil: Das Studium war für mich ein prägender Lebensabschnitt. Ich erinnere mich an meinen Widerwillen, mir im überfüllten Audimax stundenlange Wirtschaftsvorlesungen anzuhören. Ich erinnere mich an den Treffpunkt Cafeteria unter dem Orientalischen Seminar, wo wir oft hängen blieben, anstatt in die Vorlesungen zu gehen. Ich erinnere mich an die Untergeschosse in der nagelneuen Universitätsbibliothek, in denen ganz alte, wertvolle Bücher in speckigen Ledereinbänden eingesehen werden konnten. Ich erinnere mich an wundervolle Lehrer, allen voran meinen Doktorvater Professor Roemer.
 
Newsletter: Was war Ihr schönstes Erlebnis aus der Studienzeit?
 
Dr. Guellil: Ein zutiefst persönliches: Ich habe in Freiburg meinen Mann kennengelernt und wir haben im Freiburger Rathaus standesamtlich geheiratet. Das ganze orientalische Seminar war mit auf dem Standesamt – aus dem die Narrenflagge wehte, denn es war Schmutziger Donnerstag und die Frauen hatten die Schlüssel des Rathauses übernommen.
 
Newsletter: Gibt es noch Kontakte zu Studienfreunden?
 
Dr. Guellil: Ja! Zu einigen ehemaligen Kommilitonen und Kommilitoninnen habe ich – auch im Rahmen meiner Tätigkeit im Auswärtigen Dienst – Kontakt halten können. So Dr. Silvia Tellenbach, die Expertin für islamisches Strafrecht am Max-Planck-Institut in Freiburg, Professor Dr. Birgit Hoffmann, die den Lehrstuhl für Iranistik an der Universität Bamberg innehat, Dr. Roxane Haag-Higuchi, die ebenfalls in Bamburg lehrt, Professor Dr. Ulrike Freitag, die in Berlin das Zentrum Moderner Orient leitet, Dr. Winfried Riesterer, der in München an der Staatsbibliothek über orientalische Handschriften wacht. Mein Studienfreund Dr. Rainer Hermann ist heute Korrespondent der FAZ in Dubai; lange Jahre verbrachte er zuvor in Istanbul, als ich ebenfalls in der Türkei - Istanbul sowie Ankara - auf Posten war. Über mehrere Jahre hinweg hatte ich dichte Arbeitskontakte zum Regionalleiter des Goethe-Instituts in Kairo, Johannes Ebert, der bald als Generalsekretär des GI nach München zurückkehren wird. Mein Nachfolger als Leiter des Referats für den Dialog mit der islamischen Welt und die Kulturbeziehungen mit der arabischen Welt im Auswärtigen Amt, Klaus Streicher, ist ebenfalls ein Produkt der Freiburger Islamwissenschaften! Hier in Zypern habe ich Professor Dr. Martin Strohmeier wieder getroffen – er vertritt hier seit einem guten Jahrzehnt die Turkologie und Arabistik an der Universität Nicosia. Aber auch zu früheren Lehrern und Lehrerinnen gibt es noch Verbindungen – Professor Dr. Erika Glassen in Freiburg, Professor Dr. Bert Fragner in Wien, Professor Dr. Inge Baldauf in Berlin – ich kann sie gar nicht alle aufzählen. Kontakte gibt es überdies zu früheren ausländischen Studierenden; so habe ich Ende 2010 anlässlich einer Dienstreise nach Kuwait unseren engen Freund aus Studientagen, Waleed Al-Musallam und dessen Familie wiedergetroffen, der inzwischen Staatssekretär geworden war und nun als Autor von Kurzgeschichten und Romanen im frühen „Ruhestand“ weilt.
 
 
 
 

 

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